Die treueste Seele
Asche auf mein Haupt. Mein Glügge-Weib hat Recht und das gebe ich selten gern zu (ist so ein Zwillinge-Ding). Aber in diesem Fall gebe ich es sogar ohne Knurren zu. Zitat: „Du musst endlich auch mal was über Regina schreiben!“ Verdammt! Da hat sie aber sowas von Recht!
Wer ist Regina? Schlicht die treueste Seele, die ich kenne. Unsere heißgeliebte Nachbarin seit mehr als fünfzehn Jahren! Ich lernte sie persönlicher (als das Standard „Wir sind die neuen Nachbarn“ – „Aha, nett. Hallo.“-Ding) kennen, als sie mich (während des Innenausbaus) völlig verdreckt zum Mittag auf ihre Terrasse zog, statt mir, wie angefragt, das Prospekt des lokalen Pizzadienstes auszuhändigen. Sie hatte mich, entgegen des ersten Eindrucks ihres damaligen Mannes (Gott habe ihn selig), sofort akzeptiert. Trotz meines langen Matrix Mantels und zig Ringen im Ohr (ich war jung und brauchte die Sünde).
Sie beschleunigte in Eigenregie diverse behördliche Verzögerungen, opferte Freizeit für unser Bauvorhaben, verzieh uns die krudesten Verfehlungen unserer Bauleute und hatte stets ein wachsames Auge auf alle Begebenheiten im Dunstkreis unseres Grundstücks. Sie begleitete das Aufwachsen unserer Kinder, das Entstehen unseres Paradieses, litt mit uns bei Schicksalsschlägen und freute sich mit uns über unsere Erfolge. Gemeinsam litten wir bei Trennungen von Freunden, tranken auch den einen oder anderen Absinth oder Whiskey zu viel und verarbeiteten den Tod ihres Mannes gemeinsam. Zu keinem Zeitpunkt hat sie jemals eine Entscheidung oder Meinungsäußerung von uns in ein schlechtes Licht gerückt oder negativ bewertet. Ganz im Gegenteil.
Selbst unsere Kinder würden wahrscheinlich in höchster Not sie kontaktieren, wenn wir nicht erreichbar wären. Sie gehört schlicht und einfach zu unserer Sippe, wie kein anderer außerhalb des jus sanguinis. Und ich muss ehrlich gestehen, neben meiner Tochter, meiner Frau und meiner Mama ist sie die wichtigste Frau in meinem Leben, weil die gemeinsame Bewältigung aller Höhen und Tiefen des Alltags so unfassbar eng zusammenschweißt.
Wir wissen, dass wir gerade ihr mit unserer Entscheidung gut tun und gleichzeitig Schmerz bereiten. Sie freut sich für uns, da sie weiß, dass wir uns hier ganz und gar nicht mehr wohlfühlen. Sie weiß auch, dass dieser Umstand rein gar nichts mit ihr zu tun hat. Und doch lassen wir sie hier zurück und es steht in den Sternen, wie/wo sie den aufkommenden Widrigkeiten gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten begegnen wird. Jedenfalls ohne uns. Eine Erkenntnis, die immer wieder schmerzt. Aber gerade bei ihr wird es nie heißen: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“
Ginge ja gar nicht!
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