Tystnad

Stille

Was für ein Ritt die letzten zwei Tage. Doch mit dem Erreichen unserer neuen Auffahrt werden wir für alles entschädigt. Nach Überqueren der Brücke am Bootshaus fahren wir an einem von Birken eingebetteten Meer von Maiglöckchen entlang. Der süße Duft betört uns verheißungsvoll. Weiter geht es vorbei an einer Fliederhecke und großen saftigen Wiesenflächen, die das Haus hunderte Meter weit von allen Seiten umgeben. Oben auf dem Hügel angekommen, erwarten uns schon Mama und Onkel. Sie haben also ihre Müdigkeit überwunden und es sich frecherweise herausgenommen, unser heiliges Land als Erste zu betreten. Im Rückblick auf die Veränderungen die letzten sechs Tage, sei es ihnen mehr als verziehen, ja sogar zutiefst gegönnt. Konnten Sie letztendlich den Ort ohne amtliches Brimborium erfahren. Ohne Makler, ohne andere Interessenten. 

Sobald man auf dem Hügel ankommt, erlebt man einen unfassbar weiten Blick über die überwältigende Ebene, die dieses Grundstück umfasst. Eingerahmt von Birken, Ahornen und Eiben bietet das Grundstück Blick auf zwei Seen, deren Horizont von der weiten ‚Skyline‘ (ich hasse Anglizismen, habe aber keinen anderen, passenden Begriff zur Hand – Horizontline?) unseres Waldes optisch in Szene gesetzt wird. Die aufgestaute Last der letzten Wochen fällt mit einem Schlag ab. Dies ist ein Kraftort, eine Stätte der Energien. Wie sehr, soll sich erst einen Tag später herausstellen.

Wir werfen einen Blick hinter die sieben Türen der riesigen Scheune, inspizieren das Haus und seine vielen Zimmer. So unmöbiliert wirkt es noch größer. Im noch zu restaurierenden Obergeschoss steht noch viel alter Krempel herum, den die Vorbesitzer nicht mehr entsorgt haben. War zwar eigentlich nicht der Deal (https://nytt-hemland.se/2022/03/21/en-liten-signatur-foer-ett-stort-steg/), aber ich kann mich irgendwie nicht richtig darüber ärgern. 

Wir packen die Autos aus und stapeln die Kisten im Flur. Danach stöbern mein Onkel und ich in der Scheune, während die Frauen über die Wiesen schlendern. Wir warten auf Sandy und Peggy, die den Rest der heutigen Fuhre bringen. Auch sie haben einen langen Ritt hinter sich und sind seit 20 Stunden mehr oder weniger auf den Beinen. Ihr Auto müssen wir auch noch entladen, da die Schlafmöglichkeit der Beiden, ein geräumiges ausziehbares Bett, ein klein wenig Platz braucht.

Abschluss des Tages mit Lagerfeuer, einem Schluck Wein, guten Gesprächen. Als sich alle zurückgezogen haben, laufe ich noch ein wenig über die Wiesen, sauge gierig den Duft von Weiden, Wald und feuchter Erde in mich auf. Ein Klangteppich aus Vogelstimmen, Kauzrufen und Wind, nur selten durchschnitten von durchfahrenden Autos webt mich ein. Es ist ein positiver, erholsamer Klangteppich, nicht diese Verkehrsinfarktdauerschleife, die mir seit Jahren (besonders als „Einohriger“) zunehmend aufs Gemüt schlägt. Ich habe nach unserem letzten Urlaub in Schweden richtig bewusst wahrgenommen, wie laut unsere Gemeinde geworden ist. Diese drei Wochen Stille inmitten der Natur haben mich sehr geheilt. Und heute Abend merke ich auch, wie die Gedanken langsam heruntertouren und ich einfach nur diesen Augenblick genieße. 

Selbst jetzt gegen ein Uhr nachts ist es noch so hell, dass man fast noch eine Zeitung lesen kann. Sodass der Blick in die Ferne selbst nachts nicht verwehrt ist. Zeit für etwas Schlaf, es gibt noch viel zu entdecken.


Kommentare

2 Antworten zu „Tystnad“

  1. Das ist sooooo wunderbar! Allein vom Lesen bin ich schon entspannt und kann das Beschriebene spüren! Kommt gut an! Ganz liebe Grüße, Ulli

    1. Hej Ulli,
      der Countdown läuft und wir ertrinken in zu erledigenden Dingen. Ausführliche Berichte kommen in den nächsten Wochen wieder.

      Med vänliga hälsningar

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