Geteilte Freud‘

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Heute Abend ein spontaner Besuch bei unseren liebsten Freunden Ivonne und Tino. Sie begleiten unser Leben nun seit 15 Jahren und sind nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Unser Sohn und ihre Tochter kennen sich seit dem Kindergarten und haben wie Arsch auf Eimer gepasst. Nur zusammengegluckt, Blödsinn angestellt, sich den Bauch mit Süßigkeiten vollgeschlagen und gemeinsam Geburtstage gefeiert. Seit Jahren witzeln wir mit Begriffen wie „Schwiegertochter“ oder „Schwiegereltern“ rum. Inzwischen sehen es die Großen gelassen, und witzeln sogar mit. Auch wenn sie wirklich ein schönes Pärchen abgeben würden, lehnen beide eine zwischenfamiläre Verbindungen bisher vehement ab. Lassen wir es die Zeit entscheiden. Tausend mal berührt…

Der Familienvater ist ein Schrank von einem Kerl, der Tina sogar beim ersten Zusammentreffen in der Kita mächtig Respekt eingeflößt hat. Dabei ist er ein so liebenswerter Mensch, der das Herz dermaßen am rechten Fleck hat. Ehrlich, aufrichtig, integer, loyal und immer hilfsbereit. Seine Frau ist der Engel in Person und eine äußerst liebende Mutter. Wieviel Liebe es in dieser Familie gibt, sieht man an den beiden prächtig gediehenen Kindern. Eine (nach unseren Vorstellungen) Bilderbuchfamilie, die sich durch die Widrigkeiten des Alltags kämpft und trotz aller Stolpersteine nie an Lebensfreude verloren hat.

Aber auch an ihnen ist der Corona-Wahnsinn nicht spurlos vorbei gegangen. Das tägliche Spießrutenlaufen auf Arbeit, tägliche Kämpfe mit Kollegen und den Lehrern ihrer Kinder zehrt an den Kräften, die man eigentlich für das Familienleben benötigt. 

Ebenso spontan kommen die Nachbarn von Ivonne und Tino vorbei. Seit zwei Jahren gehören sie ebenso zu unserem engeren Freundeskreis, wo man seine Worte bei Diskussionen nicht auf die Goldwaage legen muss oder überlegt, wie richtig gegendert wird. Auch diese beiden wissen, dass eine Veränderung geschehen muss. Ob diese für sie ebenso im Aufbruch liegt und wenn ja, wohin, das wissen die beiden noch nicht.

Tino ist ja ebenfalls seit jeher ein Schwedenliebhaber und hat den Gedanken ans Auswandern dorthin auch schon mehrfach gesponnen. „Wenn jemand mitkommt, wäre Schweden das Land, wo ich mich am wohlsten fühlen würde!“ Tja, das ist dann wohl der Zeitraum, wo wir mit der Sprache rausrücken, dass es bei uns bereits mit der Umsetzung begonnen hat. Die Frauen haben einen Kloß im Hals, während bei Tino die Gedanken förmlich rattern. Die Quintessenz des Abends ist, dass Ivonne und Tino uns wohl folgen werden. Wir gehen voraus und bereiten den Anfang. Der Rest wird sich zeigen, aber es steht seit heute Abend fest, dass wir das Abenteuer wohl nicht komplett ohne alle liebgewonnenen Freunde in Angriff nehmen müssen. Ein sehr beruhigendes Gefühl und eine weitere Bestärkung in unserem Tun.

Tino sagt zwar, dass seine Frau auch noch zögert und sich den finalen Ruck noch nicht geben kann und er also noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Ich winke ab. Ich schätze Ivonne vom Charakter und vom Wesen ähnlich ein, wie mein Glüggeweib. Hier bedarf es keinem Druck, sondern Zeit, die entdeckte Wahrheit sacken und reifen zu lassen. Mit dem noch weiter steigenden Druck von Schule, Kollegium und Politik wird sie von ganz allein zur für sie rechten Zeit für sich beschließen, dass es Zeit ist, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Kinder endlich wieder Kinder sein lassen zu können. Auch sie unterliegen natürlich den gleichen familiären und gesellschaftlichen Zwängen, wie wir. Auch sie werden liebgewordene Besitzstände und Bekanntschaften loslassen müssen, wenn sie diesen Weg gehen.

Ivonnes Nachbarin ist an diesem Abend am traurigsten. Tränen laufen ihr über das Gesicht, während Tina zum ersten mal seit Wochen tapfer bleibt und kein Taschentuch braucht. Schon mal 3 Cent gespart 🙂So langsam wird einem bewusst, wie viel die Politik zerschlagen hat. Nicht nur Infrastruktur, Schule, Gesundheitswesen, Innen-, Außen-, Sozial-und Familienpolitik – nein auch Familien und Freundschaften leiden unter der aktuellen Misere. 

Der Nachbar ist der Neuenhagener Enklave in Schweden gar nicht so abgeneigt. Wir Männer witzeln über gemeinsame Jagd- und Angelausflüge. Ob sich die Nachbarin dazu durchringen kann, ebenfalls zu gehen? Und wenn ja, würde sie in Schweden glücklich werden, wo sie doch eher auf das südeuropäische Klima abfährt? Das kann ich aktuell nicht einschätzen. Die Zeit wird es zeigen. Doch auch bei ihr liegen die Nerven inzwischen blank. „Wenn die Impflicht in der Praxis kommt, geh‘ ich zu Aldi an die Kasse.“ Auch sie ist nicht bereit, sich diesem Schwachsinn zu unterwerfen, auch sie spürt seit mehr als einem Jahr die Rebellion im Bauch. Bleibt abzuwarten, wie diese sich bei den beiden äußert. Bei uns wären sie auf alle Fälle gern gesehene Nachbarn.


Kommentare

Eine Antwort zu „Geteilte Freud‘“

  1. […] Nachbarin ist, die bereits fest zu unserer Sippe gehört (Die treueste Seele), die (Wunsch-) Schwiegereltern vom Vielfraß, die mit uns seit nunmehr 16 Jahren durch dick und dünn gehen, deren Nachbarn, die […]

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