Der Entschluss ist gefasst

Nun ist er also endgültig gefasst, der Entschluss. Wir möchten hier weg. Dauerhaft. Diesem Land den Rücken kehren, weil es immer weniger lebenswert für uns ist und dabei haben wir nicht einmal hohe Ansprüche an das Leben. Naturnaher Garten mit kleinem Häuschen, Ruhe und vor allem in allen persönlichen Lebensbelangen in Ruhe gelassen werden. Klingt wenig, ist heute aber unwahrscheinlich viel verlangt.

Rückblick

Ich bin mit meinem holden Weib nunmehr 18 Jahre verheiratet. Wir haben bisher alle Herausforderungen des Lebens mit Bravour gemeistert, vor 15 Jahren im damals noch halbwegs ländlichen Neuenhagen bei Berlin ein Haus gebaut, Bäume gepflanzt, die Lehmwüste urbar gemacht und eine wundervolle Oase inmitten der Steingärten und englischen Rasenflächen erschaffen, sind Eltern zweier wundervoller Kinder (das Mädel 14 und der Bub 17 Jahre alt) und können uns im Vergleich mit Innenstadtfamilien mehr als glücklich schätzen. Ja, es geht uns (materiell) gut.

Über die Jahre ist unser grünes Reich gewachsen. Wir haben viele neue Freunde gefunden, unsere Kinder durch die Widrigkeiten des Alltags gelotst, Feste gefeiert, die ersten Beerdigungen von Familienmitgliedern erlebt und sind jedes Jahr in Europa gereist. Anfangs (mit kleinen Kindern) innerhalb der BRD, später dann europaweit. Wir haben aufregende Orte besucht, die Hochsommerhitze Südeuropas mehrfach (auch schmerzlich) erfahren, interessante Charaktere erlebt und unbezahlbare Eindrücke mitgenommen. Seit uns unsere Reisen jedoch das erste Mal nach Schweden geführt haben, ist mit jeder Rückreise aus diesem Land immer ein Stückchen Herz dort geblieben, i älskvärda sverige – im liebenswerten Schweden. 

Mit der Zeit hat sich unser liebgewonnenes Dörfchen Neuenhagen immer mehr von der Gartenstadt am Rande Berlins zu einem lauten, überfüllten Sammelsurium aus Alteingesessenen, rechthaberischen Stadtflüchtlingen und sonstigen Menschen entwickelt. Die Hauptverkehrsader der langgezogenen Gemeinde fast täglich am Infarkt. Die Müggelsee-Flugroutenmauschelei des BER sorgt ausgerechnet bei guten Wetter zu einem überhöhten Flugvorkommen über unserer Gemeinde, die Gemeindevertreter kämpfen gegeneinander und im Besonderen gegen die inzwischen Gott sei Dank zahlreich vertretenen parteilosen Mitglieder, es wird hier immer noch gemauschelt und betrogen, was das Zeug hält… Die Liste allein hier im Ort ist lang, vom Bundesgebiet ganz zu schweigen. 

Als ich vor 7 Jahren das erste Mal sagte, dass ich der BRD gern den Rücken kehren möchte, wurde ich von Familie und Freunden belächelt. Die Beweggründe wurden als spinnert abgetan, die Durchsetzung meines Wunsches als unwahrscheinlich. Aber mein Wunsch wuchs mehr und mehr. Auch mein Glüggeweib haderte anfangs mit meinen Gedanken. Zu viele gesellschaftliche Bindungen, wenig Schmerz, ein Haus im Grünen, liebe Freunde, die Freundschaften der Kinder, die Familie. Alles verständliche Gründe, die ich akzeptieren muss. Wir gaben uns vor 18 Jahren das Versprechen, dass wir in guten, wie in schlechten Zeiten bis zum Tode zusammenhalten würden. Dies ist ein ewiger Bund, den ich nicht zu verlassen gedenke. Nun weiß ich aus Erfahrung, dass es herzlich wenig bringt, meine Frau unter Druck zu setzen. Hat nie funktioniert, wird nie funktionieren und soll auch nicht funktionieren. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen, zieht ihre eigenen Rückschlüsse. Anders würde ich es auch gar nicht haben wollen, aber verratet es ihr nicht 🙂

2016 waren wir mit einer befreundeten Familie wieder einmal in Schweden. Nahe Stockholm in den Schären auf einer Insel ganz für uns allein. Blaubeeren und Fische en gros, herrlichstes Wetter die ganzen 14 Tage lang und ein Lebensgefühl, welches vor Freiheit nur so überlief. Zurück in Deutschland gab es Tage, wo Tina sich Grundstücke und Häuschen in Schweden anschaute. 

„Wenn die Kinder ihre Schule abgeschlosssen haben, könnten wir ja mal darüber nachdenken, uns ein Ferienhaus in Schweden zu ergattern. Wäre doch schön, dort stets einen Anker zu haben, um ausgiebig runter zu kommen…“. Nun, dies war ein Anfang. Prächtig, der Samen gedeiht. Wachsen muss das Pflänzchen in seinem eigenen Takt 🙂

Die bisher letzte Reise nach Schweden war im Sommer 2019. Da die brandenburgischen Sommerferien so früh begannen, sollten wir es endlich mal zu Midsommar schaffen. So war der Plan. Diesmal ging es in ein kleines Häuschen nach Västervik direkt am Frisksjön. Die Reise fing bereits mit vielen Widrigkeiten an. Unsere Tochter ist am Vorabend bei ihrer Abschlussfeier der Grundschule barfuß in eine Wespe getreten und kam nur humpelnd vorwärts. Meine Frau und ich waren ebenfalls gesundheitlich angeschlagen und so fuhren wir fertig, übermüdet köperlich nicht voll einsatzfähig und leicht gereizt am Tag nach der Zeugnisausgabe auf die Fähre.

Im Haus angekommen fiel schlagartig aller Stress von uns ab. So rapide ist die Entschleunigung noch nie eingetreten. Nach diesen drei wundervollen Wochen waren wir dermaßen tiefenentspannt, wie wir es in dieser Ausprägung bisher noch nicht erlebt haben und auch Tinas Wunsch wurde stärker. Aber trotz allem hält sie auch 2019 noch zu viel an dem bundesrepublikanischen Leben fest.

Was ist denn nur mit den Menschen hier los?

Der Ton wird rauer. Zwischen Nachbarn, zwischen Freunden, zwischen Familien. Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 nimmt man auf allen Seiten der Gesellschaft eine Radikalisierung wahr. Jeder verkündet seine Wahrheiten und verteidigt sie bitter bis aufs Blut. Seit Corona ist das ganze noch hysterischer und unerbittlicher geworden. Freundschaften entzweien sich, Familien ebenso und das in einem immer schnelleren Ausmaß. Die tiefe Spaltung der Gesellschaft ist bereits weit vorangeschritten, eine sachliche emotionslose Diskussion mit den wenigsten noch möglich. Der Zusammenhalt schwindet, Denunziation ist wieder in Mode gekommen und wird in breiten Teilen der Gesellschaft zumindest toleriert. Das macht uns Angst. Die Parallelen, die wir hier sehen, ängstigen uns umso mehr. Aber weiterhin werden wir zumeist belächelt. 

„Euch geht ’s doch gut!“ „Ihr schwurbelt hier einen Scheiß!“ „Ihr seid nur so unglücklich, weil ihr aufbegehrt, anstatt die Lage einfach zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen!“

Das Beste? Wie machen wir das Beste aus einer Situation, in der unsere Kinder wissentlich in ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit eingeschränkt werden und wir als Eltern wenig bis nichts dagegen tun können? Wie machen wir das Beste aus einer Situation, in der unsere Ängste und Sorgen sofort in die rechte Ecke gestellt werden? Wie sollen wir mit Menschen interagieren, die nicht hinterfragen, keine Diskrepanz zwischen angeblich geltenden Gesetzen und der weltweiten Situation sehen? Es sind Fragen, auf die wir keine Antworten mehr finden. Aber das Ausbleiben der Lösungsmöglichkeiten innerhalb dieser Gesellschaft können wir auch nicht einfach ignorieren. Allein der Kinder wegen!

Der Entschluss ist gefasst

Die letzten Monate und Wochen hat sich die Situation in der BRD für uns maßgeblich verschlechtert. Es zeigt sich immer mehr, dass die Kaiserin splitterfasernackt ist und mit ihr ihr ganzer verlogener, korrupter, inkompetenter, doppelmoralischer Hofstaat. Sie haben fertig, keine Lösungen und vor allem auch keinerlei Lust, zum Wohle der Bevölkerung zu entscheiden. Die Lobbykratur, die hier vorherrscht, widert einfach nur noch an. Die Wahlen eine Farce (siehe Thüringen), die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Gewaltenteilung oder gar die stets kolportierte Rechtstaatlichkeit ebenso. Die Einschläge kommen näher und die dunklen Wolken am Horizont sind eigentlich nicht mehr zu übersehen. Eigentlich…

Selbst jetzt ist für viele noch alles in bester Ordnung. Und spätestens mit dem Pieks und dem danach und dem Boostershot für den Boostershot des Boostershots gibt es die Freiheit zurück, die rechtswidrigen Grundrechteeinschränkungen werden aufgehoben. Oder auch nicht. Oder nur für die geimpfte Herrenrasse. 

Es schmeckt nach Rückbesinnung

Vor zwei Wochen kam mein holdes Weib zu mir. Mit weit geöffneten Augen und entschlossener Miene. „Schatz. Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr und ich will auf keinen Fall, dass unsere Kinder es weiter ertragen müssen. Wir sollten das Thema endgültig angehen.“

Gesagt – getan. Hier stehen wir nun. Am Anfang einer neuen aufregenden Reise zu neuen Ufern, weiten Landschaften, unberührter Natur und dem liebenswerten, schwedischen Völkchen, was sich noch so viel Folklore und Bräuche erhalten hat, die bei uns schon längst keine Rolle mehr spielen. 

Seitdem dieser Entschluss für uns feststeht, erträgt sich der alltägliche Wahnsinn wesentlich einfacher, weil ein Ende abzusehen ist und die Vorfreude steigt. Es werden nun viele Dinge zu organisieren und zu klären sein. Das Leben hier muss abgewickelt und das neue angeleiert werden. Es wird stressig, wir werden Zustimmung und Unverständnis erfahren, es werden Tränen fließen und der eine oder andere Schmerz wird sicherlich zu bewältigen sein. Aber in Hinblick auf den Gewinn an Lebensqualität sind das alles Dinge, die wir auch ertragen werden. 

Es schmeckt nach Rückbesinnung.


Kommentare

6 Antworten zu „Der Entschluss ist gefasst“

  1. Hallo Skandinavienjunkie, Natursüchtling, Leseratte, Wortjongleut und Familienvater (:

    dein Blogeintrag liest sich gut und flüssig. Durchaus nachvollziehbare Punkte aufgeführt. Auch wenn wir uns nicht lange kennen, hat die Projektarbeit zusammen doch sehr Spass gemacht. Danke dafür!

    Ich wünsch euch alles Gute in der neuen Wahlheimat. Soweit ich es hinbekomme, werde ich euch besuchen. Entweder als Touristen oder als Flüchtling (:

    Alles Gute und viele Grüße,
    Peace out
    Seyhan

    1. Hallo mein Bester, es war mir auch ein Fest, mit Dir arbeiten zu dürfen. Immer und stets ein uneingeschränktes Vergnügen. Und Du bist natürlich jederzeit in der neuen Heimat willkommen, wann immer es Dein Herz begehrt. Ob als besuchender Freund oder Emigrant ist mir schlichtweg schnurz 🙂

  2. Avatar von Hiltrud Fischer
    Hiltrud Fischer

    Hallo,
    Ich kann das alles so gut nachvollziehen.
    Obwohl ich erst im letzten Frühjahr aufgewacht bin. Auch ich habe mich für Schweden entschieden, weil ich das Lebens in Deutschland nicht mehr aushalte. Und weil ich es nicht mehr ertrage, zu sehen, was hier für Menschen leben. Dass offenbar mindestens 50 Prozent Faschisten sind, die es richtigfinden, dass kritische und ungeimpfte Menschen nicht mehr in den Supermarkt dürfen, darunter leider meine beiden erwachsenen Kinder und der Mann, den ich seit 50 Jahren kenne und mit dem ich 25 Jahre verheiratet war. Und nicht nur Faschisten, sondern auch noch unglaublich dumm. Ich gehe nächste Woche und freue mich sehr.

    1. Hallo Hiltrud, wie ich im Kanal gelesen habe, bist Du ja inzwischen im gelobten Land. Ich hoffe, dass Du alles so schaffst, wie Du es Dir vorgenommen hast.

      Liebe Grüße (noch) aus Deutschland.
      Ken

  3. Eine ganz tolle Seite!
    Wir befinden uns noch im Entschluss-fassen-Prozess, wahrscheinlich fehlt noch der Mut, es überwiegt die Angst, die Ungewissheit. Eigentlich ist aber klar, so sollen unsere Kinder (4 und 6) nicht aufwachsen müssen.
    Nach unserem Sommerurlaub in Schweden wurde direkt auf der Rückfahrt der Herbsturlaub gebucht, weil auch wir dieses Herunterfahren als so positiv erlebt haben, ja noch nie so erlebt haben. Keiner wollte so recht nach Hause.
    Wir schauen nach Jobs, Häusern, lernen Schwedisch… recherchieren wie es sich lebt, was alles organisiert werden muss.
    Ich scheue die Entscheidung auch oder vor allem aufgrund der vielen Tränen, die es kosten wird. Familie und Freunde hier „zurück zu lassen“ fällt mir noch zu schwer. Aber das Leben ist für mich in D nicht mehr lebenswert. Ich staune über Gedanken/ Äußerungen/ Meinungen meiner (wie ich dachte) Freunde, die ich deutlich reduziert habe zu meinem Schutz. Mein Mann, der seit 15-20 Jahren die „Zustände“ in D kritisiert, ist weniger überrascht… Er wusste was kommt, er hatte die Menschen schon richtig eingeschätzt. Seine Stärke…

    Ich wünsche euch einen tollen Start in Schweden, ich werde euren Blog mit viel Interesse verfolgen!

    1. Liebe Bianca, das klingt nach einem ähnlichen Prozess, wie bei uns. Nach dem Tod meiner schlesischen Lieblingsoma und dem Lesen ihrer Tagebücher als 20-26 Jährige, habe ich angefangen, viel zu recherchieren. Und je umfangreicher die Erkenntnisse wurden, desto größer die Ablehnung gegenüber der Bundesrepublik. Als ich vor 5 Jahren das erste Mal in der Familie äußerte, der BRD den Rücken zu kehren, schlug mir noch viel Unverständnis entgegen, auch von meiner Frau. Inzwischen hat sich diesbezüglich die Wahrnehmung stark geändert. Wir bekommen viel Verständnis, besonders vom engsten Freundes- und Familienkreis. Wie sich das alles entwickelt, wird sich zeigen. Dass es Herausforderungen und Rückschläge ebenso, dessen sind wir uns bewusst. Dass wir nicht von hier in die Büllerbü-Romantik einkehren, ist völlig klar. Aber das wollen wir auch nicht, ebensowenig in eine deutsche Enklave zu flüchten, um dort das bisherige Leben in relativer Ruhe weiterzuführen.

      Wir brauchen eine Abkehr und Rückbesinnung. Gelebte Traditionen und neuen Input fernab von deutschem Spießbürger- und Denunziantentum. Wie sagte meine Frau so treffend: „Selbst wenn Corona von Heut‘ auf Morgen vorbei wäre, ist dies nicht mehr der Ort, an dem ich bleiben möchte.“

      Auch Deinen Mann kann ich völlig verstehen. Ich habe 2016 auf meinem politischen Blog einen Artikel verfasst, um mir meine Wut und Verzweiflung von der Seele zu schreiben. Und alles, was ich vorhergesehen habe, ist noch viel, viel schlimmer und rasanter eingetreten, als befürchtet. Aber das Politische will ich von diesem Blog fernhalten. Dies soll ein reiner Schweden-Blog werden.

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